Demenz & Alzheimer

Eine dementielle Erkrankung zeigt sich in den Symptomen einer leichten, mittleren oder schweren, erworbenen Hirnleistungsstörung.

Das Wissen und die Erfahrungen über Demenzerkrankungen sind in den letzten Jahren enorm gewachsen und nehmen weiter zu. Die Auswirkungen von Demenzerkrankungen haben eine sehr individuelle Dynamik, da es unterschiedliche Krankheitsstadien, Persönlichkeiten und individuelle Lebenszusammenhänge gibt.

Dies bedeutet, dass kontinuierlich Erfahrungen und Erkenntnisse mit einzelnen Kranken gesammelt werden müssen, also Lernprozesse notwendig sind um sich auf die Lebenssituation der Erkrankten einzustellen. Die Symptome einer Demenzerkrankung im Bereich des Intellekts und der Kognition reichen von Zerstreutheit, Konzentrationsstörungen, Störungen des Kurz- und Langzeitgedächtnisses (zunächst bei zeitlich nahe liegenden und später auch bei weiter zurückliegenden Ereignissen), Störungen der Lernfähigkeit und des planvollen Handelns, bis hin zu räumlicher u. zeitlicher Desorientierung, Verlust des Tag-Nacht-Rhythmus, zunehmende Störungen der sprachlichen Verständigung und des abstrakten Denkens. Hinsichtlich der Wahrnehmung treten oft Störungen des Erkennens, der räumlichen Tiefenwahrnehmung und beim Filtern oder Fokussieren von Wahrnehmungsinhalten auf. Auch das Temperatur- und Schmerzempfinden, der Geschmacks- und Geruchssinn und z. B. das Empfinden von „satt sein“ können gestört oder verändert sein.

Im Bereich der Stimmung und der Befindlichkeit können die geistigen Einschränkungen zu Sekundärsymptomen, zu Interesselosigkeit, affektivem Rückzug, Ängstlichkeit, Stimmungslabilität, Verstimmtheit, Depressionen und Wahnvorstellungen führen. Apathie, Reizbarkeit, Aggressivität, unverständliche Handlungsmuster und motorische Unruhe sind Krankheitssymptome, in denen vor allem die Hilflosigkeit oder fehlende Planungs- und Handlungskompetenz der Kranken zum Ausdruck kommt.

Im Verlauf und im Fortschreiten der Krankheit erlebt die/der dementiell Erkrankte zunächst eine Gefährdung, Bedrohung und zuletzt die Einschränkung seines Ich- und Person-Seins. Die inneren und äußeren kognitiven Strukturen der Person, die durch Individualisierung und Sozialisation entstanden sind, zerfallen nach und nach. Die Erkrankten sind zunehmend unfähig, alltägliche komplexe und später auch einfachste Handlung im lebenspraktischen Bereich ohne Unterstützung zu bewältigen.

Hinzu kommt das Nachlassen sozialer, interaktiver, kommunikativer und emotionaler Kompetenzen und Kontrollmechanismen, die die Erkrankten im Zusammenleben mit nicht Betroffenen häufig in die Situation der Hilflosigkeit, Verunsicherung und Überforderung bringen. Existentielle Ängste, Scham, Minderwertigkeits- und Abhängigkeitsgefühle, aber auch Aggressionen, Vertuschung und Schuldzuweisungen sind häufige Reaktionen auf diese Leistungseinschränkung.

Der dementiell erkrankte Mensch ist zunehmend auf Anleitung, Beaufsichtigung und praktische Unterstützung bei der Verrichtung seiner alltäglichen Dinge angewiesen, bis hin zu einer „rund um die Uhr“ Betreuung. Im letzten Stadium der Krankheit sind die Kranken oft bettlägerig. Auch einfachste Wahrnehmungen und Bewegungen sind nicht mehr möglich. Die Gehirnsubstanz ist in großen Teilen zerstört und funktionsunfähig. Die Kranken reagieren in diesem Stadium vor allem auf Mimik, Gestik, olfaktorische Reize, Berührung und emotionale Zuwendung.

Häufige Symptome und Verhaltensbesonderheiten bei Demenzerkrankten, die in üblichen Heimsituationen besonders auffallen, sind: reduzierte Lern- und Anpassungsfähigkeit, Nichterkennen von Personen und Örtlichkeiten, Immobilität, Wandern oder Weglaufen, Sprachverlust oder ständiges Sprechen, Inkontinenz, Urinieren, Kotschmieren, Gegenstände sammeln, -verstecken, -zerstören, verbale und körperliche Angriffe auf Pflegepersonal, Wechsel des Tag-Nacht-Rhythmus, Nahrungsverweigerung oder ständiges Essen, Verweigerung von Körperhygiene, unangemessenes Sexualverhalten.

Im Zusammenleben können sich Erkrankte und Gesunde (Pflegende und Angehörige) in einem Spannungsfeld unterschiedlicher Wahrnehmung bewegen. Die Demenzerkrankten fühlen sich häufig noch jung, leistungsfähig, selbständig, gesund und unauffällig. Bedingt durch die Gedächtnisstörungen erleben sie sich mit fortschreitendem Krankheitsgeschehen progredienthäufig in Altersstufen zwischen dem 30. Lebensjahr bis zurück in das Kindes und Säuglingsalter.

Dem Gegenüber erleben die Pflegenden die Erkrankten zumeist als alt, vergesslich, hilflos, gebrechlich und leidend. Die Gesunden sind demnach darin gefordert, ihre eigene Grundhaltung gegenüber Menschen, die in eine andere Realität als die ihre „entrückt“ oder „ver-rückt“ wurden, selbstkritisch zu hinterfragen.

Was wir beispielsweise als chaotisch, absurd oder verwirrend erleben, muss von Demenzerkrankten nicht ebenso erlebt werden. Was aus Sicht Außenstehender als Krankheitszeichen, Symptom oder Verhaltensauffälligkeit erscheint, kann aus Sicht des Kranken ein sinnvolles Verhalten oder eine durchaus angemessene Reaktion auf die Auswirkungen der Erkrankung sein. Der Zugang zu dem Kranken und die Möglichkeiten der Betreuung ergeben sich daher in erster Linie aus einem besseren Verständnis seiner inneren Realität. Die Einordnung von Verhaltensweisen als Symptom oder unangemessene Verhaltensauffälligkeit darf deshalb nicht unreflektiert von allgemeinen Verhaltensstandards abgeleitet werden.

Das Einfühlungsvermögen der Pflegenden wird dahingehend gefordert, einerseits die individuelle Realität und Selbsteinschätzung der/des dementiell Erkrankten zu akzeptieren und gleichzeitig auf ihre/seine objektiv zunehmende Hilflosigkeit mit personenzentrierten Unterstützungs- und Aktivierungsangeboten zu reagieren. Ziel der Unterstützung, Betreuung und Pflege ist es, in einer für Entwicklungen offenen Grundstruktur, den Prozess der Bemühung um den Selbsterhalt bei den Erkrankten so lange wie möglich zu begleiten und zu stützen, damit sich die/der Erkrankte während des gesamten Krankheitsverlaufes noch als würdevolle und geachtete Person erfahren kann.

Grundgedanke des Entwicklungsansatzes ist die Orientierung hin zu Möglichkeiten, Fähigkeiten, Ressourcen und Verhaltensspielräumen und weg von Defiziten, Verhaltenskorrekturen und Fremdbestimmung. Diese anspruchsvolle Aufgabe fordert von den Betreuenden ein hohes Maß an fachlicher, sozialer und persönlicher Kompetenz und Flexibilität. Auch eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Älter- werden, Hinfälligkeit und allgemeinen Schwächen und Leidenssituationen ist notwendig. Der akzeptierende Umgang mit sich selbst ist auch wichtig für den Umgang mit Anderen, insbesondere Behinderten, Kranken und leidenden Menschen. Der Entwicklung von Einfühlungsvermögen, Intuition, Spontanität und Wahrnehmungsoffenheit kommt in der Betreuung Demenzkranker eine wichtige Bedeutung zu.

Die angemessene ganzheitliche Unterstützung Demenzerkrankter ist im Vergleich zu geistig Gesunden in allen Krankheitsstadien aufgrund des hohen Aufwands an Anleitung, Beaufsichtigung und Vermeidung von Gefährdungssituationen zeitintensiv und erfordert deshalb, neben kreativen Organisationsstrukturen, einen hohen Personaleinsatz.